Nützlich, aber nicht gleich für alles leicht zu nutzen
Die drei aktuellen Schrift-Releases haben zwei Dinge gemeinsam. Erstens, ihre Attitüde: Man muss Trends nicht folgen, um sie zu verkörpern. Zweitens, ihren Designer: Sie stammen alle aus der Feder von Philipp Neumeyer, einem mehrfach TDC-prämierten Schriftgestalter mit unkonventionellen Ideen und einem charmant-schrägen Stilgefühl: »Im Idealfall gestalte ich keinen austauschbaren, fein geschliffenen Pop, sondern etwas mit Ecken und Kanten, das zumindest etwas polarisiert.«
Elma, Ottessa und Yuni Slab verfolgen jeweils einen völlig anderen Ansatz. Aber sie eint, dass sie sich über Jahre hinweg entwickelt haben und der ewige Blick auf ihre Designs Philipp dazu getrieben hat, jeder von ihnen noch etwas Besonderes hinzuzufügen. In seinem Gestaltungsprozess ist er zwar nicht darauf festgelegt, etablierte Normen zwanghaft durch experimentelle Varianten in Frage zu stellen, aber es ist schon fast zu einer intuitiven Gewohnheit geworden. Das Ergebnis sind Schriften am Rande des nutzbaren Spektrums – nützlich, aber nicht gleich für alles leicht zu nutzen.
Und genau darum geht es bei dieser 3-fach-Veröffentlichung: um das Ausgefallene. Lassen wir also die Norm hinter uns und tauchen ein in das Ungewöhnliche.
Trio und Mono-Space
Die Idee zur Trio-Space ist inspiriert durch die von IBM in den 1940er und Olivetti in den 1950er Jahren veröffentlichten Schreibmaschinenschriften. Diese verwendeten mehrere, unterschiedliche Zeichenbreiten in scheinbar monospacigen Designs. Da Philipp ohnehin an der Elma arbeitete, testete er das Konzept der multiplen Breiten direkt in ihrem nichtproportionalen Design.
Erste Experimente zeigten, dass aus einer Variante mit drei Zeichenbreiten durchaus eine legitime Ergänzung zu einer Monospace entstehen kann, denn obwohl sie sich auf den ersten Blick wie ein wohlproportioniertes Design anfühlt, ist sie es nicht. Stattdessen ist sie als überzeichnete Parodie zu verstehen und obendrein trotz Monospace-Charme leichter zu lesen.
Das Ergebnis des Experiments rechtfertigte zweifellos die zusätzliche Arbeit, die durch die Neuproportionierung vieler Formen entstand. Während die Emla Mono mit stets gleichbleibender Kegelbreite die Vorteile einer Monospace bietet, liefert die semi-proportionale Elma Trio mehr Anwendungskomfort in anderen Bereichen.
Unvollkommene Kurven
Neben dem Reiz der Mono- und Trio-Versionen versprüht Elma auch den Hauch einer New-Retro-Attitüde. Ihre unkonventionelle Kurvenführung erinnert an analoge Zeiten und ist ein Gegenentwurf zu digital glatt geschliffenen Vektoren.
Die Unvollkommenheit der »eckigen« Rundungen wurde durch eine Begegnung mit der Futura inspiriert, die Philipp vor langer Zeit an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel hatte. Philipp, der Frechdachs öffnete eine Futura-Schrift in FontLab5 mit dekompilierten Font-Daten und stellte dabei fest, dass ihr O kein »perfekter« Kreis war. Für ihn wirkte es so, als seien die Tangenten nicht lang genug gestreckt, um es perfekt rund zu ziehen. Das störte ihn immens, denn wenn man diese seltsame Krümmung erstmal gesehen hat, kann man sie nicht mehr übersehen. Der »Futura-Vorfall« war für Philipp so traumatisch, dass er ihn lange Zeit nicht losließ. 2015 arrangierte er sich aber letztlich doch damit und fing an, dieses unvollkommene Detail nicht mehr als störend, sondern als interessant zu betrachten (spannend, was Typografie begeisterte Menschen so über Jahre beschäftigen kann) und in der Folge eine proportionale Slab Serif im Schreibmaschinenstil mit leicht »unvollendeter« Rundung zu entwerfen.
Zu Beginn der Elma im Jahr 2018 wurde diese Idee der »unvollendeten« Kurvenspannung direkt integriert und in ihrer Deutlichkeit überhöht. Eigentlich die klassische Bruce Wayne Geschichte: die Phobie wird in Stärke umgewandelt.
Multiple Kursive
Philipp ist der Meinung, dass die Kursive einer Monospace-Schrift viel Gestaltungsspielraum zulässt. Vielleicht verspürte er auch aufgrund der monotonen Zeichenbreiten ein starkes Bedürfnis nach einer Andersartigkeit, um die Kursiven in eleganter Weise von der Aufrechten zu differenzieren – so wie es die Syntaxhervorhebung im Programmcode tut.
Elmas Kursive wurde simultan zur Aufrechten entwickelt, zeichnet sich durch ein markantes, humanistisches Design aus und spielt mit Rotation, Winkeln sowie nicht-kursiven Details. Am Beispiel des kursiven p der Black lässt sich Philipps Ansatz hervorragend verdeutlichen: »Die Serifen sind völlig unnötig, aber ich wollte etwas haben, das das Gefühl der Rotation noch mehr betont. Also habe ich sie einfach hinzugefügt.«
Außerdem ist das p eine eigenwillige Mischung aus klassischer Kursivschrift und moderner Konstruktion. Der vertikale Stamm auf der linken Seite verlängert die x-Höhe, obwohl der Bogen des p’s nicht ganz links ansetzt.
Diesen Kunstgriff nutzt Philipp auch bei vielen seiner anderen Schriften. Es scheint, als könne er einfach nicht widerstehen, interessante Details von einer Schrift in die nächste zu übertragen, nur um sie in einem anderen Kontext neu zu erkunden.
Nach diesen ersten Entwürfen entwickelte Philipp jedoch Bedenken wegen des stark dynamischen Ansatzes. Also drehte er alles zurück auf Anfang und begann mit einer traditionellen, schlicht gekippten Slanted im altbekannten Stil der Neo-Grotesk-Schriften. Am Ende musste er sich eingestehen, dass beide Varianten ihre Vor- und Nachteile haben und er beide gleichermaßen mag. So war Philipp verloren wie Bill Murray in Tokio. Doch glücklicherweise ist die Vorliebe für Polymorphismus seine Scarlett Johansson und so lässt Elma die Wahl zwischen den zwei Kursiven.
Berechtigte Frage: Wer braucht zwei Kursive? In den meisten Fällen ist es eine Entweder-Oder-Frage, aber manchmal kann eine zusätzliche Option neben Gewicht und Winkel die Arbeit mit komplexer Typografie erleichtern.
Kyrillisch im Herzen
Elma unterstützt den kyrillischen Sprachraum. Im Kontext der aktuellen geopolitischen Lage und den sich verschlechternden internationalen Beziehungen zu Russland stellte sich Philipp die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, weiterhin Schriften für einen oft russisch dominierten Absatzmarkt zu gestalten.
Letztlich modellierte er das Kyrillisch der Elma aber aus demselben Grund, aus dem er alle seine kyrillischen Zeichen entwirft: aus voller Bewunderung für das kyrillische Alphabet und der Neugierde, wie dessen Formsprache sein eigenes Design beeinflussen kann.
Philipps Begeisterung begann mit dem Reiz der Andersartigkeit der kyrillischen Buchstaben im Vergleich zum eigenen, ihm bekannten Alphabet: »Was anders oder fremd ist, ist für mich immer irgendwie interessant. Ich bin ein Kind der 90er, deshalb hatte Russland und dessen Darstellung in der westlichen Popkultur immer eine gewisse Anziehungskraft auf mich: Die ehemalige UdSSR als gescheitertes System, die damit verknüpfte Geschichte Deutschlands, die permanenten Spekulationen über weit verbreitete Korruption, das Narrativ »der« Russen als »unser« Feind … ich habe mich immer gefragt: Wie viel Wahrheit steckt dahinter?«
Mit der wachsenden Liebe zu Buchstaben, aber auch aus Ehrfurcht vor Formen eines gänzlich anderen Schriftsystems, konzentrierte sich Philipp daher primär auf die Konstruktion kyrillischer Zeichen. Durch die Erweiterung des Glyphensatzes um das Kyrillische können viele Merkmale der lateinischen Designentscheidungen neu überdacht und an unterschiedlichen Stellen verwendet werden und vice versa – je nachdem, mit welchem Alphabet das Design begonnen wird – denn trotz einer anderen Schriftsprache, ist die geteilte Formensprache immer noch leicht erkennbar. Zweifellos haben auch die Begegnungen und Freundschaften mit wunderbaren Menschen, die dieses Alphabet beherrschen, Philipps Liebe zum Kyrillischen gefördert, ebenso wie einige Reisen nach Russland.
Bis heute ist Philipps Begeisterung und Bewunderung für das kyrillische Alphabet ungebrochen – auch Putins grausamer Angriff auf die Ukraine, das damit verbundene Leid und all das, was Putin bereits vor Februar 2022 getan hat, haben daran nicht geändert. »Ich kann nur hoffen, dass das Blutvergießen so bald wie möglich ein Ende hat und dass eine demokratische Welt entsteht, in der das kyrillische Alphabet nicht zwangsläufig mit einer russischen Diktatur in Verbindung gebracht wird. Das ist natürlich rein auf das Kyrillische bezogen, aber auch grundsätzlich hoffe ich auf viele weitere Veränderungen in dieser Welt.«
Wir hoffen es auch, denn die Liebe zum Kyrillischen ist ein essentielles Element in allen Schriften von Philipp!
Yuni Slab – Macken, Spleens und eigenwillige Kurven
Auf den ersten Blick ist die Yuni Slab eine von Holzlettern inspirierte Serifenschrift. Sie besticht durch große Tropfenserifen und nostalgische Ausstrahlung, die an analoge Egyptiennes des 19. Jahrhunderts, wie eine Clarendon oder die Antique Condensed der Franklin Type Foundry, erinnert.
Zuckersüße Nostalgie für Mutige
Yuni ist zuckersüß, aber nichts für zarte Nerven. Sie hat Macken und Marotten sowie raue Kanten und eigenwillige Kurven, die an grobe Holzlettern erinnern und besonders bei den dunklen Gewichten auffallen. Yuni ist ein Genremix, eine Zusammensetzung aus unbekannten Details und Stilrichtungen. Sie ist kein Revival, sondern spielt mit dem Hinzufügen von Unerwartetem und Weglassen von Erwartbaren. Ein überraschender, historischer Einfluss spiegelt sich in der Platzierung der Serifen, die in Anlehnung an die französische Romain du Roi aus dem 17. Jahrhundert konzipiert wurden.
Unkonventionell, unvollkommen, Clarendon-esk
Wie die Simpsons, die alle nur vier Finger haben, weist auch Yuni einige logische Besonderheiten auf. Die »unkonventionelle Kurvenspannung« – eine Divergenz zwischen innerer und äußerer Form – ist von der Gestaltung kontrastreicher Kupferstiche inspiriert, die auf unkonventionelle Weise auf eine Slab-Serif übertragen wurde. Das Ergebnis ist eine warme, charaktervolle Schrift.
Neben den eigenwilligen Rundungen bietet Yuni einen ungewöhnlichen Kontrast und betont diesen in horizontal gequetschten, hochgebogenen Strichenden, die selbst dann noch dünn sind, wenn sie eigentlich einen starken vertikalen Stamm darstellen könnten. Weitere Merkmale, die historische Details in den Fokus rücken: der dezente Kontrast in den betonten, eckigen Serifen und die sichtbare Unterscheidung zwischen dicker und dünner Strichführung – ganz in Manier der Clarendon-Schriften des 19. Jahrhunderts.
Da die extremen Gewichte unterschiedliche Konzepte für die Verteilung im Strichstärkenkontrast verfolgen, wurde das mittlere Gewicht – die Medium – so angepasst, dass es das Starre und Rechteckige kultiviert und zugleich mit einer auffälligen Unvollkommenheit versehen ist. So wird der Eindruck unterstützt, dass die Schrift mit rundimentären Werkzeugen unperfekt aus Holz geschnitzt wurde.
Dass Inspiration zu Besessenheit und ungesunder Abhängigkeit führen kann, wurde mittlerweile wohl schon deutlich. Für Philipp waren die ganzen kleinen und großen Ks eine Qual. Ein ständiges Hin und Her, bei dem er sich regelmäßig fragte, ob er sich wirklich für eine Variante mit Tropfenserife entscheiden sollte oder nicht. Stellt euch vor, wie er frühmorgens zum Computer eilt – manisch aufgeputscht und gleichzeitig völlig erschöpft von widersprüchlichen Gefühlen – und schreit: »Irgendwie liebe ich es. Aber ich hasse es auch!«
Mit den verschiedenen Formen in den extremen und mit den Anpassungen in den mittleren Gewichten potenzierte sich der innere Konflikt unnötig und führte zu noch mehr Arbeit und Gedankenspielen.
Um aber auch einen Moment des Glücks zu teilen: Schaut euch dieses wunderbare kleine a an ... ja, sicher, Matthew Carter, »Schrift ist eine schöne Gruppe von Buchstaben, nicht eine Gruppe schöner Buchstaben«, aber dieses Zeichen hat einfach alles: ungewöhnliche Kurvenspannung, klobige Serifen und verrückte Knicke, kontrastiert mit zuckersüßen Tropfenserifen und einer angenehmen freundlichen Ausstrahlung. Vielleicht hat Herr Matthew Carter CBE aber auch nie eine so schöne Schrift gemacht? Naja, lehnen wir uns mal nicht zu weit aus dem Fenster. Kein Grund, wegen eines unglaublich schönen a’s frech oder gar respektlos zu werden. Monsieur, Sir, Eure Majestät, wir sind schon immer große Fans!
Ink Traps und Bold Heros
Neben den originellen Kurven hat Yuni bewusste Ausdünnungen und Ink Traps aka Drucktintenfallen. Diese feinen Details, die für die Optimierung der Schrift in kleinen Größen gedacht sind, trenden aktuell als Formdetail in Headline-Größen.
Da Yuni groß verwendet werden soll, hätte die Schrift unbestritten auch ohne Ink Traps funktioniert, aber sie geben dem ganzen eine reizvolle, überraschende Note. Die Unmengen an Ink Traps machen dieses Design zeitgemäßer und verleihen eine zusätzliche Klarheit, die einen Gegenpol zu der ansonsten zu kuscheligen Stimmung bildet.
Groß, knallig, stolz und kompakt auf Plakaten und in Headlines, kann Yuni die Herausforderungen des aktuellen Trends der »Bold Hero«-Typografie locker meistern. Man stelle sich ein majestätisches Landschaftsfoto vor, mit großen, weißen Buchstaben – gesetzt in Yuni ... Muss man natürlich nicht tun, aber falls doch: Tadaaa, fertig ist das Design.
Apropos: Philipps dritte Veröffentlichung in diesem November, Ottessa, ist ebenfalls wie geschaffen für laute und mutige Typografie:
Ottessa – humanistisch in den Zwischentönen
Ottessa ist anders als andere schlichte und klar geometrische Serifenlose. Sie ist für alle, die von den minimalistischen, geometrischen Designs gelangweilt sind und sich auf den Anbruch einer neuen Ära freuen, jenseits der Krisen der letzten Jahre.
Diese freundliche, nichtlineare Grotesk hat eine exorbitante x-Höhe. Während das kleine a mit seinem gebogenen, Excoffon-artigen Strichende und der nichtlinearen Interpolation sympathisch anmutet, präsentiert sich sein großer Kollege zunächst spitz und scharfkantig, bevor er mit zunehmendem Gewicht stumpfer und milder wirkt.
Gewidmet, aber nicht direkt abgeleitet
Ottessa teilt ihren Namen mit einer von Philipps Lieblingsautorinnen, Ottessa Moshfegh, die für ihre exzentrischen und unkonventionellen Texte bekannt ist, ist aber nicht nach ihr benannt, denn das Design ähnelt weder ihrem Werk noch ihrem Charakter und kann in keiner Weise auf sie zurückgeführt werden. Da Philipp aber ihre Arbeit bewunderte, fand er auch Gefallen an ihrem Namen und zum Glück war Ottessa noch nicht als Schriftname »vergeben«. Manchmal ist die Herausforderung der Namensfindungen schlichtweg das Finden eines Namens.
Ottessa ist typografisch nicht das schönste Wort. Mit einem doppelten t und s verlangt es nach einer Gestaltung mit besonders präsentablen ts und ss. Glücklicherweise erfüllt Ottessa diesen Anspruch, so dass ihre S-Formen heute sogar Philipps Lieblingsbuchstaben sind.
Im Gegensatz dazu war Ottessas mehrdeutige Kursive eine knifflige Aufgabe, vor allem deren verfi*kten runden Formen.
Ambigue Kursive
Ottessas ungewöhnlich dynamische Kursive verfolgt einen humanistischen Ansatz mit einem steilen 18°-Winkel, schnellen Aufwärtsstrichen und vermeintlich rotierten Rundungen zur klaren Unterscheidung zwischen Aufrechter und Italic. In der überschaubaren Familie stellt sie einen Gegenpol zu der unterschwelligen Fülle der Aufrechten dar, der nicht im Widerspruch zu dieser stehen, sondern sie noch verstärkt.
Nichtlineare Interpolation ist die Lösung
Ohne sich zu sehr aufzudrängen oder eine Karikatur ihrer selbst zu werden, legt Ottessa einen unwiderstehlichen Schwerpunkt auf die Horizontale. Während die leichteren Schnitte konstruierter, klarer und kühler sind, wirkt Otessa mit zunehmendem Gewicht herzlicher und sympathischer. In den mittleren Schnitten ist Ottessa definitiv humanistisch – im Gegensatz zum dunkelsten Schnitt Extrabold: Er entwickelt durch die kantigen, kontrastreich ausgedünnten Bögen eine sportliche, leicht aggressive Ausstrahlung.
Ottessas nichtlineare Interpolation war nicht unbedingt geplant. Während Philipp in der Designschleife fest hing, wendete er bei der Extrabold kontrastreiche Übergänge an, um zu erkunden, was sich daraus ergeben würde. Nachdem er sich entschieden hatte, die Extrabold so beizubehalten, probierte er etwas Ähnliches in der Light und stellte schnell fest, dass der Effekt weder dort noch bei den interpolierten Zwischengewichten funktionierte. So bleibt die Extrabold eben extra.
Widersprüchlichkeit als Konzept: Das dunkle Gewicht funktioniert nur gut mit spitzen, dünnen Übergängen. So entstand die Idee, zwei dunkle Extreme zu entwickeln: eins mit und eins ohne Kontrast, wobei Letzteres zwischen den Extremen interpolierbar sein sollte.
Da Philipp keinen großen Nutzen darin sah, zwei verschiedene ultrafette Gewicht zu etablieren, überarbeitete er die etwas hellere Bold komplett, um einen linearen Übergang zu erreichen. Schlussendlich entkoppelte er die Extrabold, als den fettesten Schnitt, aus der Interpolation.
Und es zeigte sich: Ursprünglich als Experiment begonnen, macht die unorthodoxe Konfiguration die Familie als Ganzes interessanter. So bietet die Ottessa neben einer Palette an »normalen« Schnitten, die verschiedene Funktionen erfüllen, als Bonus die Extrabold für mehr Kantigkeit und Facettenreichtum.
Konstant inkonsistent
Mit Blick auf die Norbert mit ihren uneinheitlichen Proportionen und Formen über die verschiedenen Gewichte oder die Juneau mit ihren erfrischend abwechslungsreichen Großbuchstaben, erkennt man ein Muster in Philipps Arbeit: Er folgt dem unverkennbaren Ansatz, etwas aus der Vergangenheit aufzugreifen, daraus etwas Neues zu formen und dann merkwürdige, kleine Unebenheiten hinzuzufügen, ohne dabei das handwerkliche Niveau zu vernachlässigen, das für ein tatsächlich nutzbares Ergebnis nie fehlen darf.
Das ist noch nicht die Laudatio auf Philipps Lebenswerk, aber die Anerkennung eines besonderen Beitrags, um das »Normale« aufzubrechen und Typografie mit Schriften zu bereichern, die zwar nützlich, aber nicht gleich für alles leicht zu nutzen sind.