Das Duo Bridge Text und Head im Fokus
Brücken verbinden unzugängliche Wege – manchmal sogar Dinge, die nicht zusammengehören. Auch die Schriftfamilien Bridge Text und Head sind durch ähnliche Ideen miteinander verbunden und eröffnen so zugleich neue Wege für unterschiedliche Design-Ansätze.
Zur Sache: Mit dieser Editorial Super-Familie wollte Mona Franz ein Werkzeug schaffen, das die Bedürfnisse des Nutzenden auf eine etwas andere Weise erfüllt. Im Gegensatz zu anderen Superfamilien unterscheiden sich die Bridge Head und Text durch mehr als ihre optische Größe.
Mit dem extrovertierten Star Bridge Head und dem routinierten Drummer Bridge Text, erzeugt dieses Schrift-Ensemble einen selbstbewussten, kantigen typografischen Klang. Wie in einer Band spielt jedes Mitglied eine Rolle. Sie teilen Gemeinsamkeiten – wenn nötig. Andernfalls geht es um den eigenständigen Ausdruck, welcher der Funktion untergeordnet ist und sich nicht ausschließlich am Partner orientiert.
Differenzierung in Dimensionen und Proportionen
Ein klassisches Lehrbuch würde sicherlich definieren, dass die Typografie für Überschriften eine kleinere x-Höhe hat, als die der Textschnitte. Aber es schadet auch nicht, wenn Schaugrößen noch mehr x-Höhe bekommen. Dadurch erreicht Bridge Head eine markante Optik beim großflächigen Ausfüllen der Zeilen. Vielleicht bedingt durch die Darstellung auf Bildschirmen, sind wir eine vergrößerte x-Höhe gewohnt – und genau darum fühlt sich das Textbild der Bridge modern an.
Durch auf die Versalhöhe gekürzte Oberlängen und sehr niedrige Unterlängen bietet Bridge Head einen engen Zeilenabstand – perfekt, um kompakte Headlines zu setzen. Für Bridge Text kommen erprobte Standards zur besseren Lesbarkeit zum Einsatz: Weit geöffnete Binnenformen, moderate x-Höhe sowie Oberlängen, die über die Versalien hinausragen.
Bridge Text tendiert zu leicht schlanken Proportionen, um eine effiziente Raumnutzung inklusive Lesbarkeit in kleinen Größen zu erreichen. Facettenreicher ist dagegen die Bridge Head, die dem Anwendenden die Wahl zwischen drei verschiedenen Breiten eröffnet. Für hervorstechende Schlagzeilen kann zwischen kompakt, schmaler und noch schmaler gewählt werden. ツ
Um die Kompaktheit zu betonen, wurden die runden Buchstaben der Head rechteckiger und dem Rest des Schriftbildes ähnlicher gestaltet. Während Bridge Head mit rechteckig-runden Buchstaben und ähnlichen Proportionen kompakt gestaltet ist, kontrastiert die Text mit differenzierbaren und abwechslungsreichen Proportionen, um eine gute Lesbarkeit zu gewährleisten.
Differenzierung in Kontrast und Konstruktion
Die Bridge Text vereint einen sichtbaren, aber moderaten Kontrast zwischen den dicken und dünnen Strichen. Bridge Head hingegen ist ein Rebell. Für einen kühnen und markanten Auftritt bleichen die Haarlinien. Dies steht im Widerspruch zu den Prinzipien, die seit dem frühen Bleisatz akzeptiert sind. Selbstverständlich gibt es für die klassische Logik immer noch sinnvolle und zeitgemäße Anwendungen, aber um ein markantes und selbstbewusstes Gefühl auszudrücken, ist es nicht nötig Regeln zu folgen und in Richtung einer Super-Haarlinien-Version für Großanwendungen zu gehen.
Differenzierung in Buchstaben und Details
Das Hauptziel von Schriften ist es, einem Zweck zu entsprechen. In diesem Sinne sind die Parameter von Bridges spezifischen Buchstabenformen und Details unterschiedlich gestaltet: Bridge Head soll Aufmerksamkeit erregen, während die Textversion klare Buchstabenformen und Details benötigt, die vereinfacht und zugleich kalligrafischer, sowie natürlicher behandelt wurden, damit sie im Fließtext gut funktionieren.
Die vier Ecken innerhalb der Punzen (wie im o) geben der Head im großen Ganzen ein symmetrisches Aussehen. Dahingegen bleiben die zweifach gebrochenen Punzen in der Text ruhiger und die asymmetrisch gesetzten Bögen verstärken die dynamische Betonung in Leserichtung.
Während ihrer Zeit an der Akademie in Den Haag führte Mona etliche Tests durch, um herauszufinden, welche Abstufungen der Innenformen und Brüche am besten funktionieren. Um tiefer in den Entwicklungsprozess von Bridge einzutauchen, lohnt es sich, die Notizen auf der Website von TypeMedia2018 zu lesen.
Einige Buchstaben wie das kühne K oder rebellische R sind in der Head-Version ausdrucksstärker gestaltet, um einen einzigartigen Wiedererkennungswert zu erreichen.
Andere Buchstaben brauchen eine kontextbedingte Alternative, wie in der Head Familie. Also schaltet eure OpenType-Features an für einen lautstarken Auftritt, wenn ein »VJ VISUALS FÜR PJ HARVEY« kreiert.
Als Deutsche entwickelte Mona erwartungsgemäß ein besonderes Interesse am scharfem S. Die Fonts bieten dazu zwei Varianten per Formatsatz: Für Head ist standardmäßig die ausdrucksstarke »Münchner Eszett«-Form aktiv. Da die Text für ein angenehmes Lesen eine ruhigere Textur benötigt, ist die extravagante Kreation die zweite Wahl, aber per Formatsatz erreichbar. Detaillierte Informationen zu diesem speziellen Eszett hat Mona auf dem Blog Alphabettes gesammelt. Und den findest du gleich hier um die Ecke.
Differenzierung in den Serifen
Sogar die Serifen mussten zwischen beiden Bridge Familien differenziert werden, um jeweils den richtigen Ton zu treffen: Bridge Head betont die langen, keilförmigen Serifen mit leicht gekehlten Kurven. Mit weniger detaillierten, geraden Serifen erzeugt die Text eine klares Textbild. Es ist kein Geheimnis, dass diese Klarheit in kleineren Größen hervorragend funktioniert. Für sogenannte Makrogrößen werden oft Details reduziert, kantiger modelliert und mit weiteren Proportionen gestaltet. Also ein guter Grund das minimal Lesbare zu testen — und los!
Differenzierung in Stilen und Gewichten
Der Aufbau der einzelnen Schriftfamilien ist ein weiterer Punkt der sich unterscheidet. Mit drei verschiedenen Breiten von Con(densed) bis Ext(ended) in jeweils sechs Gewichten von xLight bis Black bietet Bridge Head diverse Lösungen, um passgenau eindrucksvolle Headlines zu setzen. Selten wird eine zusätzliche Auszeichnung durch Italics benötigt. Stattdessen kann bei der Bridge Head aus 18 Schnitten gewählt werden: Von sehr kompakten Überschrift bis hin zu breit gezogenen Schnitten für Unterüberschriften oder exponierte Zitate.
Indes kommt Bridge Text mit nur 10 weniger extremen, textfähigen Gewichten von Light bis xBold um die Ecke und bringt dafür eine passende und eigenständige Kursive mit.
Harmonie in der Summe
Was die beiden uneinheitlichen Familienmitglieder miteinander teilen? Alles, was wichtig ist! Als Töchter klassischer Didot-Schriften, haben beide Bridges eine vertikale Betonung in ihren Buchstabenformen und eine moderne Anmutung. Basierend auf dem Schreibwerkzeug der Spitzfeder ist der dick-dünn Kontrast in allen Schnitten sichtbar.
Ausgehend vom gleichen Ursprung haben die beiden Mitglieder auch das gleiche Verständnis von Formen, wie beispielsweise dem extravaganten Skelett des Kleinbuchstaben g.
Es ist die Ausnahme und nicht die Regel, die sie vereint – wie in jeder guten Beziehung, in der es nicht zwingend erforderlich ist genau gleich zu sein, solange ähnliche Interesse geteilt werden.
Das verbindende Geheimnis sind die kleinsten gemeinsamen Nenner: Kleine Details, wie die geraden Stamm-Serifen und die auffällige ansteigende Konstruktion im Anstrich.
Beide Familien der Bridge haben deutlich unterschiedliche Rollen, aber ergänzen sich und vermitteln ein gemeinsames Gefühl – nur die Lautstärke variiert. Die größte Verbindung, die Bridge Head und Text teilen, ist die Freiheit bei Bedarf anders zu sein. Dies gibt der Head die Möglichkeit als Rampensau aufzutreten und Aufmerksamkeit zu erregen, während die Text eine ruhige und geschmeidige Textur in Print und digitalen Medien setzt. Dabei verfolgen sie ein gemeinsames Ziel: Ein Layout mit selbstbewusstem und kantigem Charakter.
Frag einfach!
Man kennt es, dieses kleine nervige Kästchen, das erscheint, wenn man ein €-Zeichen mit einer Schriftart formatiert, die vor 2000 erstellt wurde. Sobald ein Zeichen in der ausgewählten Schrift nicht zur Verfügung steht, erscheint ein Platzhalter in Form eines leeren Rechtecks.
In der Bridge ist das Problem rund: Wenn der »Just ask!« Button während der Benutzung aufploppt, frag uns einfach! Frag uns nach Zeichen, wenn du der Meinung bist, dass ein Schrift-Update sinnvoll ist. Grundsätzlich ist Feedback zu den unterstützten Sprachen immer willkommen. Vielleicht ist auch ein alternatives a für eine neue visuelle Identität gewünscht oder eventuell ein Ikon, das zum spezifischen Projekt passt? Oder wie wäre es mit einem »Brücke bei Nacht« Emoji? Frag uns einfach – auch hinsichtlich anderer Gewichte oder Breiten.
Brücken verbinden also. Mit Bridge Head und Text hast du ein Werkzeug für kreative Typografie, leg los und überbrücke unpässliche Wege!