Geometrische Vielfalt
Vereint durch grafische Klarheit und Souveränität im Hinblick auf typografische Vielschichtigkeit, umfassen Grato und Gratimo vier Schriftfamilien, die in zwei Subfamilien untergliedert sind. Mit einem kleinen Ausblick auf eine künftige Ergänzung, geht es in diesem Artikel um alles, was die Familien miteinander verbindet und unterscheidet.
Der geometrische Kern von Grato bildet den Ausgangspunkt für alle Familien. Durch stilistische Variationen in den Strichenden und Großbuchstaben wurden davon ausgehend gleich zwei Schriften entwickelt: eine Grotesk und eine Classic. Diese gleichen sich zwar im Kern, variieren allerdings in der Ausführung und im Erscheinungsbild. Für ein effizientes Arbeiten wurden diese für Text- und Interface-Projektet zusätzlich neu gezeichnet. Das Ergebnis: Gratimo Grotesk und Gratimo Classic.
Zweieiige Zwillinge
Die Grotesk und die Classic wurden parallel entwickelt und teilen sich viele Zeichen; durch Variationen in den elementaren Buchstabenformen lassen sich die Schriften aber verschiedenen Genres zuordnen. Folglich werden auch die stilistischen Varianten in zwei komplett eigenständige Schriftsysteme untergliedert.
Die Classic und die Grotesk unterscheiden sich in zwei Hauptaspekten: in den Strichenden und in den Proportionen der Versalien.
Rhythmus und Proportionen
Edward Johnstons Schrift für die Londoner U-Bahn (1916) und Paul Renners Futura (1927) basieren hinsichtlich ihrer Großbuchstaben auf den klassischen römischen Versalien. Ihre Konstruktion orientiert sich an den elementaren Formen Kreis, Quadrat und Rechteck.
Auch die Grato Classic ist durch diesen Ansatz inspiriert. Der Wechsel von breiten und schmalen Versalien erzeugt Spannung und erinnert an elegante Serifenschriften der Renaissance.
Jahrzehnte später wurden die Proportionen der serifenlosen Versalien auf einer mechanischen Basis rationalisiert, was zu breiten, gleichmäßigen Buchstabenformen führte. So erinnert Grato Grotesk an Schriften wie die Akzidenz Grotesk (1898) von wahrscheinlich Ferdinand Theinhardt und die Statischen Grotesken der 1930er Jahren.
Strichenden ändern viel
Auch, wenn Eric Gill menschlich ein Drecksack war, seine von der Johnston inspirierte Gill Sans (1928) zeigt klar und konsequent den vertikalen Anschnitt der Strichenden, der sich auch bei der Grato Classic finden lässt. In Bezug auf die Proportionen der Versalien und der Strichenden, ist sie ebenfalls von früheren, britischen Serifenlosen wie dieser inspiriert – mit dem positiven Nebeneffekt, dass die gerade angeschnittene Strichenden einen kompakten Satzbau wunderbar erleichtern.
Wie Wilhelm Pischners Neuzeit-Grotesk (1932) und Arno Dreschers Super Grotesk (1930-1938) ist auch die Grato Grotesk von halb geöffneten Strichenden geprägt, wodurch das Schriftbild eine warme, freundliche Stimmung erzeugt.
Kurz gesagt: Beide Schriftfamilien stehen in keiner engen Verwandtschaft mehr zueinander. Vielmehr ist es ihr Entstehungsprozess und die Liebe zur Geometrie, die sie bis heute vereint.
Zwei weitere Varianten für mehr Lesbarkeit
Die Vorteile, die Grato Classic und Grato Grotesk – auch aufgrund ihrer unverwechselbaren Geometrie – für Branding und Headlines mitbringen, können in anderen Kontexten von Nachteil sein. Um eine ideale Funktionalität in allen Kontexten gewährleisten zu können, wurden daher zwei weitere Subfamilien entwickelt: Gratimo Classic und Gratimo Grotesk!
Die beiden Ausgangsschriften wurden hierfür in zwei optischen Größen hinsichtlich einer verbesserten Lesbarkeit neu gezeichnet und für eine effizientere Kommunikation in Text- und Interface-Projekten verfeinert und erweitert.
Die offensichtlichste Änderung: Das runde o ist verschwunden. Durch die vergrößerte x-Höhe und ökonomischere Form wirkt der ehemals geometrische Buchstabe nun modern und solide.
Mit der Vergrößerung der x-Höhe wurden auch die Punzen optisch angepasst, wodurch auch das Lesen von Texten in kleinen Größen durch Gratimo ermöglicht wird. Werden die Minuskeln vergrößert, erscheinen die Versalien proportional kleiner, wodurch Initiale weniger dramatisch wirken und Texte – die überwiegend aus Kleinbuchstaben bestehen – für das Auge entspannter zu erfassen sind.
Vergrößerte Zeichenabstände erleichtern zusätzlich das Identifizieren einzelner Buchstaben und damit auch das Lesen längerer Texte. Gleichzeitig sorgen die neuen ökonomischen Formen für eine kompakte Zeilenlänge.
Grato konzentriert sich auf elementare Schriftzeichen und geht mit dem Formsatz 02 sogar noch einen Schritt weiter in die Richtung puristischer Geometrie. Im Gegensatz dazu bevorzugen die Gratimo Familien dezent kalligrafisch inspirierte, leicht zu differenzierende Formen und orientiert sich eher in Richtung der humanistischen Schriftkategorien.
Gratimo unterscheidet sich noch durch weiteren Feinabstimmungen von Grato: Durch einen höheren Strichstärkenkontrast und einigen Ausdünnungen, werden Grauwert und Textur stärker ausbalanciert, um der Konvention zu entsprechen und eine optimale Lesbarkeit zu gewährleisten.
Um zu verhindern, dass die Innenräume der einzelnen Buchstaben in kleineren Textgrößen verschwimmen, wurde insbesondere bei der Grotesk Wert auf weit geöffnete Strichenden gelegt.
Da der Fokus von Gratimo auf Lesegrößen liegt, wurde auf super feine Hairlines und einen Ultra Black Schnitt verzichtet. Im Gegenzug erhält Gratimo passende Kursivschnitte für typografische Vielfalt und Auszeichnungen.
Die rohe Konstruktion von Grato wurde in vielerlei Hinsicht verändert, um mit Gratimo eine leicht lesbare und ökonomische Sans zu schaffen.
Einer für alle, alle für einen
Aber die Textvarianten sind nicht 1:1 abgeleitete optische Größen, sodass jede der vier Schriftfamilien auch prima eigenständig funktioniert. Das macht die Superfamilie komplexer und zugleich vielseitiger: So erzählen Grato Grotesk und Gratimo Grotesk zwar die gleiche Geschichte, verwenden aber unterschiedliche Worte für verschiedene Zielgruppen.
Das Gleiche gilt für Grato Classic und Gratimo Classic: Beide erheben ihre Stimme für kleine und große Größen, erzeugen dabei aber unterschiedliche Klänge.
Hinsichtlich der sprachlichen Vielfalt sind sich jedoch alle Familien einig: Als wahre Multitalente verfügen sie über weit mehr als nur das lateinische Alphabet und sprechen so über 270 Sprachen fließend. Durch unsere Erfahrungen mit der Cera Pro, deren geometrisch vereinfachten griechischen und kyrillischen Glyphen gerne von heimischen Lesenden angenommen wurden, vertrauten wir auch bei Grato und Gratimo auf unsere enge Zusammenarbeit mit lokalen Fachleuten, um diese umfangreiche Sprachunterstützung realisieren können.
Kurzum: Vier stilistisch miteinander verknüpfte Schriftfamilien, die sich in zwei Subfamilien unterscheiden, aber dadurch auch perfekt ergänzen. Zeit, alle Familien praktisch und kostenlos auf dem Desktop testen:
Fortsetzung folgt…
Gemeinsam mit Teja Smrekar ist eine weitere Ergänzung zur Super-Familie auf dem Weg: Grato Marker ist die expressive, abgerundete und handschriftliche Variante von Grato Grotesk und Classic.
Teja hat sich zur Aufgabe gemacht, der Geometric Collection noch mehr Ausdruck, Persönlichkeit und typografischer Hierarchie zu verleihen. Mit Grato Marker wird die Power-Kollektion aus klarer, deutlich lesbarer Typografie daher durch eine neue, verspielte und natürliche Stimme ergänzt.